Kaffeerösterei

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Freitag, 11. August 2017

Mein Kommentar zum Bayern2 Radio Interview am 11.8.2017 zum Wahlausgang in Kenya

Was ich dazu noch sagen wollte
Gespannt habe ich auf das Interview mit Professor Dietmar Herz, dem Lehrstuhlinhaber für vergleichende Rechtslehre an der Universität Erfurt, gewartet. Er wurde als Keniaexperte angekündigt, man konnte also Einiges an frischem Insiderwissen erwarten. Alles in allem kann man dem Professor in seiner Analyse zustimmen. Dies ist nicht zuletzt deshalb möglich, weil er altbekannte Gemeinplätze nicht verlassen hat. Das war dann viel Zeitungswissen und wenig eigene Einschätzung. Keine wirklichen News in Bezug auf das spannende Thema kenianische Wahlen 2017.

Photo by courtesy of Muhammad Mahdi Karim








In einem Punkt seiner spärlichen persönlichen Kommentierung möchte ich jedoch Ergänzungen machen, die ich für notwendig halte. Sinngemäß hat Prof. Herz vom Menetekel der Ausschreitungen anlässlich der Wahlen 2007/08 gesprochen. Man wolle in Kenia, dass sich diese blutigen Auseinandersetzungen mit mehr als tausend Toten nicht wiederholen. Es sei auch zu beobachten, dass inzwischen der Tribalismus immer mehr überwunden würde und gerade junge Menschen davon nichts mehr wissen wollten. Diese beiden Einschätzungen halte ich für nicht zutreffend und sehr verkürzt.

Gewalttaten bei den Wahlen 2012/2013
Zum einem hat Prof. Herz scheinbar schon die blutigen Auseinandersetzungen im Umfeld der Wahlen fünf Jahre später, also 2012/13 vergessen, etwa in Kisumu oder an der Küste und eigentlich bedarf es immer noch einer Aufarbeitung der Ursachen. Wo sind da die ernsthaften Bemühungen von offizieller Seite zu sehen in Kenia an die Wurzeln zu gehen und zumindest Ursachenforschung zu betreiben? Das fehlte 2008, das fehlte 2013 und wie es nun nach diesen Wahlen aussehen wird, muss man erst noch lernen.

Gleichzeitig schwelen Konflikte in Kenia wegen der Vertreibungen, die im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen standen. Für mehr als 100000 vertriebene Kenianer im Land gibt es nach wie vor keine Lösung. So wurden bei den Unruhen zur Wahl 2012 zahlreiche Kikuyus aus dem Stammland der Luo Bevölkerung im Westen Kenias vertrieben. Tragischerweise lässt die Kultur der Kikuyu eine einfache Rückkehr der eigenen Gruppenmitglieder, sogar der eigenen Familienmitglieder nicht zu. Frei nach dem Motto, "hier bin ich wieder", funktioniert das eben nicht.

Es geht um ganz handfeste Ansprüche an Land und Besitz. Es ist schlicht und ergreifend kein Platz für Rückkehrer im Kikuyugebiet beziehungsweise gibt es überhaupt keine Bereitschaft Platz zu machen. Einmal weg, immer weg.

Was sind die Wurzeln der Auseinandersetzungen?
Es wäre schön, wenn man so einfach sagen könnte der Tribalismus ist am Verschwinden, jetzt kommen die jungen Leute, die das nicht wollen. Doch wenn man ein wenig über die Wurzeln des Tribalismus nachdenkt, merkt man schnell, dass das nicht die Wurzel ist, sondern auch nur die an der Oberfläche liegende Pflanze weit tiefer verästelter Ursachen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich zwei Aspekte zur Diskussion stellen: die Jugendarbeitslosigkeit und traditionelle Auseinandersetzungen um Vieh- und Weideland.

Jugendarbeitslosigkeit 
Das Gegensatzpaar lautet eben nicht alter Tribalismus gegen junge Ansichten. In einem Land, das von hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist geht es um Habende gegen Besitzlose, um Zukunft gegen Perspektivlosigkeit, um Stadt gegen Land. Die Jugendlichen sind nicht dumm. Sie sehen sehr wohl, dass Posten zu oft nach ethnischen Gesichtspunkten vergeben werden. Das ist desillusionierend.

Einschränkend muss andrerseits gesagt werden, dass Kenia durchaus ein aufstrebendes Land ist, mit gut ausgebildetem Nachwuchs, der teils seine Ausbildung im europäischen Ausland absolvierte. Aber genau das ist auf lange Sicht ein möglicher Schwachpunkt, denn sie sind die zukünftigen Habenden, die sich gegen die Besitzlosen wehren werden.

Die Mobilisierung von Jugendlichen an gewalttätigen Auseinandersetzungen ist so gesehen kein allzu großes Problem. Jedes politisches Lager findet darüber hinaus Verbündete in rivalisierenden Jugendgangs, die je nach politischer bzw. ethnischer Ausrichtung Partei ergreifen. So zum Beispiel geschehen in Kisumu mit den Protagonisten American Marine für Raila Odinga und China Group für Uhuru Kenyatta als rivalisierende Banden.

Traditionelle Auseinandersetzungen um Vieh- und Weideland
Diese Auseinandersetzungen sind Legende und es wundert mich eigentlich, dass sie beim Radiogespräch unerwähnt geblieben sind. Als Beispiel möchte ich hier die Auseinandersetzungen zwischen Pokomo, landwirtschaftende Bauern und Orma, Pastoralisten in Tana River nennen. Die eventuelle Strategie hier war jedoch Passivität und gewähren lassen, d.h. ein Unterlassen seitens der Politik die Polizei anzuweisen, diesen Konflikt zu schlichten. Die Berichte werden ergänzt durch Zeugenaussagen der rivalisierenden Gruppen, dass jeweils im Wahlkampf stehende Politiker der beiden Lager konspirative Treffen abgehalten hätten und dabei Spendensammlungen, mit dem Ziel die Kämpfe zu finanzieren, veranstaltet hätten. Trauriges Resultat: etliche Tote und etwa 34000 vertriebene Personen.

Die wichtigsten Faktoren für friedliche Wahlen
Man sieht an diesen zwei Beispielen ganz gut, dass es mit Stereotypen nicht getan ist. Meines Erachtens werden sich derartige Ereignisse in Kenia nie ganz ausschliessen lassen. Man sollte wissen wer oder was hinter gewalttätigen Ausschreitungen steckt, um es einordnen zu können. Bildung, Arbeit und finanzielles Auskommen sind wichtige Schlüssel in der zukünftigen Entwicklung Kenias. Das Miteinander der Volksgruppen, das in Kenia im Alltag ganz gut klappt, sollte durch Verständnis für die kulturellen und materiellen Bedürfnisse der anderen Gruppen ergänzt werden. Entsprechende Programme und Bildungsarbeit wären eine Investition in die Zukunft dieses Landes.







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